Das
Estnische Freiluftmuseum, welches am 22. Mai 1957 auf dem Gelände des
ehemaligen Sommergutshofes Rocca Al Mare gegründet wurde, gleicht einem Dorf an
der Stadtgrenze Tallinns. Die hiesige wertvolle Sammlung der estnischen
Landarchitektur besteht aus 80 Gebäuden, die aus den letzten zwei Jahrhunderten
stammen.
Wie
in der estnischen Landschaft, so sind auch die Bauernhöfe des Museums in typischen
Dorfstrukturen angeordnet: die Bauernhöfe aus West- und Nordestland in einer
kettenartigen Reihe, die Bauernhöfe der Inseln im Haufendorf um den Dorfplatz,
die Bauernhöfe aus Süd-Estland hier und dort in der Landschaft verstreut. Die
Bauernhöfe der Setobevölkerung und der Peipussee-Russen stehen nebeneinander an
der Straßenseite, wie in Straßendörfern üblich.
Die
wichtigsten Bauten der Bauernhöfe des Museums sind Wohnhäuser. Meistens steht
im Hof auf dem Ehrenplatz ein einzigartiges Riegenhaus (langgestreckter
hölzerner Bauernhof), was Jahrhundertelang die beliebteste Bauform war und
einem Großteil der estnischen Bevölkerung Obdach bot, aber man kann
auch kleine Gebäude vom Fischer und Kleinbauern sowie ein moderneres Bauernhaus
aus dem Jahre 1930 besichtigen.
Öffentliche
Gebäude – Schule, Kapelle, Gasthaus, Dorfladen und Feuerwache – bilden ein
kleines Dorfzentrum. Die Mühlen und Fischerhütten beleben die Landschaft.
Der
traditioneller Wohnsitz - das Riegenhaus, über welches die ersten Mitteilungen
aus dem 14. Jahrhundert stammen, muss an dieser Stelle hervorgehoben werden. Als
die nördlichsten Ackerbauer brauchten die estnischen Bauern einen gut heizbaren
Getreidetrocknungsraum. Seitdem der Winterroggen vor 1.000 Jahren hier zum
bedeutesten Brotkorn wurde, wurde es schwierig die Ernte in der bisherigen (,
der Sauna ähnlichen) Rauchstube zu trocknen. So ist im Laufe
der Zeit ein einzigartiger, nur für Estland charakteristischer, großräumiger Wohnhaustyp
– das Riegenhaus – enstanden.
Dieses
Gebäude vereint unter einem Dach einen Wohn- und Getreidetrocknungsraum mit
einem großen Ofen – die Riegenstube (Stube, in Südestland Diele),
eine geräumige Dreschtenne, die fürs Dreschen des Korns sowie als Pferde- und
Viehstall im Winder benutzt wurde. Seit
dem 17. Jahrhundert kamen zusätzliche Kammern hinzu.
Die
Riegenhäuser haben regionale Variationen. Im weitverbreitesten Riegenhaus, dem
sogenannten nordestnischen Typ, ist die zentrale Riegenstube höher und schmaler
als die Dreschtenne. Im Museum vertreten diesen Typ zum Beispiel die
Riegenhäuser der Bauernhöfe Sassi-Jaani, Köstriaseme und Pulga.
In
der Diele des südestnischen Typs sind die Riegenstube und die
Dreschtenne fast gleich hoch und breit. In die Riegenstube gelangt man in der
Regel durch die Dreschtenne. Dieser Typ war in Südestland, aber auch in
Nordlettland, auf der Insel Hiiumaa und im westlichen Teil der Insel Saaremaa
verbreitet. Bei uns ist das beste Beispiel der ältere Teil des Riegenhauses
Kolga, das gleichzeitig das älteste Bauernhofwohnhaus des Museums ist (1723).
Schon gewusst?